Unlängst hat die griechische Regierung die Bundesregierung mit einer diplomatischen Note zu Verhandlungen über Reparationen aufgefordert. Eine griechische Expertenkommission hatte die Gesamtzahl der von der deutschen Besatzungsmacht im zweiten Weltkrieg verursachten Schäden auf 290 Millionen Euro beziffert
Dies hat den Hintergrund, dass die Wehrmacht Nazi-Deutschlands während der Besatzung Griechenlands in den Jahren von 1941 bis 1944 das Land wie kaum ein anderes ausgeplündert und die Menschen brutal massakriert hat. Das reichte von der fast völligen Zerstörung der Infrastruktur wie Bahnen, Brücken und Häfen, der Industrieanlagen ebenso wie der Schifffahrtsflotte über die Beschlagnahmung fast aller landwirtschaftlichen Produkte bis hin zur Erhebung eines Zwangskredits von der griechischen Nationalbank. Hinzu kamen zahlreiche Tote, zumeist infolge von Strafaktionen gegenüber Zivilisten, aber auch von Hungerkatastrophen und Krankheiten. Circa 100 Dörfer wurden dem Erdboden gleichgemacht. Aber auch die Städte wurden schwer zerstört.
Griechische Regierungen haben wiederholt, wenngleich mit unterschiedlicher Schärfe, Reparationen oder anderweitige Entschädigungszahlungen angemahnt, sowohl für das Land als Ganzes als auch für einzelne Betroffene. Verschiedene Bundesregierungen haben jedoch solche Zahlungen ‒ mit einer begrenzten Ausnahme in den 50er Jahren ‒ immer wieder abgelehnt. Zunächst wurde der Punkt auf einen abschließenden Friedensvertrag verschoben. Nach dem Zwei-plus-Vier-Vertrag wurde dann behauptet, das Thema sei jetzt abgeschlossen, obwohl die Reparationsfrage bei diesem Vertragsschluss überhaupt nicht zur Debatte stand.
Auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat die Bundesregierung wieder einmal auf die Note der griechischen Regierung ablehnend reagiert. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestages kommt allerdings zu dem Schluss, dass das Thema keineswegs abgeschlossen sei. Dementsprechend empfahl es eine Klärung durch den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
Dr. Karl-Heinz Roth ist Arzt, politischer Publizist und Historiker. Er
hat sich mit der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts befasst und wurde in erster Linie durch seine Arbeiten zur Sozialgeschichte des Nationalsozialismus bekannt. Sein Buch zum Thema Reparationsschuld erschien bereits 2017, wurde jedoch aus aktuellem Anlass überarbeitet und soeben neu aufgelegt.
Freitag, 25. Oktober 2019, 18:00 Uhr
Volkshochschule Osnabrück, Bergstraße 8
Eintritt frei
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